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Am Anfang war… die Kuh

  • Veröffentlichungsdatum 12.10.2018
Michael Scherer

Der 97. Treffpunkt WissensWerte über die Forschung an Ursachen und Heilungsmethoden von Infektionskrankheiten. Eine Veranstaltung von Technologiestiftung und Inforadio (rbb) im Rahmen der Berlin Science Week. Ein Bericht von Thomas Prinzler.

Es war das Jahr 1796, als der englische Arzt Edward Jenner einen Jungen mit Kuhpocken, wie er annahm, infizierte. Er wollte damit dessen Reaktion testen. Der Junge überlebte, er war immun. Jenner nannte seinen Impfstoff, der von der Kuh (lat. Vacca) stammte, Vaccine. Die Vaccination, die Impfung als Technik der künstlichen Immunisierung war geboren, „tatsächlich einer der größten Durchbrüche der Medizingeschichte“, sagt der Veterinärmediziner Jakob Trimpert vom Institut für Virologie der Freien Universität Berlin

Doch erst mit Robert Koch und Adolf Mayer wurden Bakterien und Viren als Krankheitsverrsacher erkannt. Neben Viren und Bakterien sind Pilze, Parasiten und Prionen die Ursachen für Infektionskrankheiten. Zu finden sind „die meisten im Körper des Menschen“, so Petra Gastmeier, Direktorin am Charité-Institut für Hygiene und Umweltmedizin. „Wir selbst tragen in unserem Körper etwa zwei Kilogramm Bakterien, Viren, Pilze mit uns herum, das so genannte Mikrobiom.“

Alle sind von Infektionskrankheiten betroffen, ganz direkt und aktuell mit Grippe- oder Noroviren und multiresistenten Keimen, medial mit Ebola im Kongo und dem West-Nil-Virus nicht nur in Afrika und emotional, wenn von Massenschlachtungen von Hühnern oder Schweinen aufgrund von Vogelgrippe oder Schweinepest zu hören ist. Doch warum machen die 2 Kilogramm Lebewesen in und auf dem Menschen nicht krank? „Die meisten brauchen wir“, erklärt Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts. „Bakterien helfen uns, Nahrung aufzuschließen oder schützen unsere Haut. Und selbst Viren, die Retroviren, helfen uns bei der Evolution, haben uns beim Menschwerden geholfen.“ Nur ein sehr kleiner Teil erzeugt dann Krankheiten wie die Grippeviren, die Influenza. Die sind virologisch gesehen ganz besonders, da sie extrem wandlungs- und anpassungsfähig sind für verschiedene Wirte wie Schwein, Vogel oder Mensch, sagt Jakob Trimpert. „Selbst, wenn man im letzten Jahr die Grippe hatte, ist man nicht immun.“ Daher sei die Grippeschutzimpfung mit dem 4-fach Impfstoff wichtig, denn „viel hilft viel. Je mehr Influenzastämme man hineinkriegt, desto mehr ist man dann geschützt.“ 

Treffpunkt Wissenswerte Veranstaltung der Technologiesitftung Berlin und dem RBB Inforadio
"Am Anfang war... die Kuh" vom 01. November 2018, Hörsaalruine Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité

Jakob Trimpert erforscht neue Impfstoffe für Tiere gegen Viren. Denn sind die geschützt, kann es schwerer zu Zoonosen kommen, zum Überspringen der Viren von Tieren auf den Menschen. Impfstoffe werden genetisch modifiziert, um sie für das Immunsystem besonders interessant und wirksam zu machen. Andererseits könnte man auch in das Erbgut von Hühnern oder HI-Viren eingreifen, um die Vermehrung der Viren zu verhindern. Auch Mücken könnten so gegen Malariaviren immunisiert werden. „Das ist aber zweischneidig“, gibt Lars Schaade zu bedenken, „das kann man nicht mehr einfangen, wäre ein gigantischer gentechnischer Freilandversuch. Muss man sehr genau darüber nachdenken.“

Nachdenken ist auch beim Einsatz von Antibiotika gefordert. Nicht der Einsatz in der Landwirtschaft sei problematisch, sondern beim Menschen. Zwar wurden Antibiotika als Mastförderer und zur Prophylaxe genutzt und verursachten entsprechende Probleme wie Resistenzen. Aber, so Petra Gastmeier, man habe harte Fakten: „2011 war der Verbrauch in der Veterinärmedizin noch 1700 Tonnen, im letzten Jahr waren es nur noch 700 Tonnen.“ In der Humanmedizin könne man „ganz viel Antibiotikaeinsatz reduzieren, indem man weise therapiert.“

Thema waren auch Impfgegner*innen und Kritiker*innen, die das Impfen für gefährlich halten. Viele Impfmärchen kursieren noch im Internet, obwohl sie widerlegt sind, betont Lars Schaade. Quecksilber sei nicht in Impfstoffen und die Masernimpfung löse keinen Autismus aus. „Der Arzt, der das damals in England angeblich herausgefunden hat, hat Geld dafür bekommen, das war eine gefälschte Studie.“ Impfstoffe müssen zugelassen werden, es muss Wirksamkeit und Unbedenklichkeit belegt werden. Jakob Trimpert reagiert drastisch: „Man ist im öffentlichen Diskurs vor Verrückten nicht gefeit.“

Und was ist das gefährlichste Tier der Welt? Nicht der Hai, der lediglich 10 Menschen pro Jahr tötet. Die drei Expert*innen waren sich einig: Es ist die Mücke. Auf deren Konto gehen jährlich 725.000 Tote, 60% durch Malaria. Und Einigkeit auch in der Forderung nach mehr Grundlagenforschung und mehr Engagement der Pharmaindustrie für neue Wirkstoffe.

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