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  • Thema Neue Technologien

Forum Wissenswerte: Zukunft 5G

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 12.10.2023
Michael Scherer

Mobiltelefone, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte, sogar Kleidung – die Zahl der vernetzten Geräte im Alltag wächst. Die Digitalisierung von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft schreitet immer weiter voran. 

Doch dafür braucht es schnelle Datenraten, stabile Netze und eine gute Netzinfrastruktur. 

Die Gegenwart und nahe Zukunft heißt dabei 5G – der aktuell schnellste Mobilfunkstandard. Die Bundesregierung möchte 5G bis 2030 in ganz Deutschland verfügbar machen. Welche Chancen bietet die 5G-Technologie, wo stehen wir gerade in der Entwicklung, und was wird in Berlin und Brandenburg schon umgesetzt? Darüber sprach Axel Dorloff, rbb24 Inforadio, mit den Expert:innen beim Forum Wissenswerte: Zukunft 5G.  

Ein Bericht von Anna Corves. 

Die Datenübertragung gilt als Rückgrat der digitalisierten Welt. Dem flächendeckenden Rollout des Mobilfunks der 5. Generation wird dabei enormes Veränderungspotential für unsere Gesellschaft zugesprochen. Wohin genau uns das führen wird, ist aber (noch) nicht absehbar. Darin waren sich die drei Diskutand:innen beim Forum Wissenswerte über die Zukunft von 5G einig.   

„Der Hauptunterschied von 5G zu den Vorgängertechnologien ist, dass 5G sehr eng an den Bedürfnissen der Nutzer:innen orientiert entwickelt wird“, erläutert Prof. Volker Jungnickel, Gruppenleiter der Abteilung ‚Photonische Netze‘ am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Dass 5G deutlich mehr Daten in kürzerer Zeit übertragen kann, eröffnet ganz neue Anwendungsbereiche – etwa in der Industrie oder der Medizin, wo es in hohem Maße auf Sicherheit und Zuverlässigkeit ankommt. 5G erlaube außerdem das so genannte 'Slicing' – so dass spezifische Anforderungen einzelner Nutzer:innen an die Netzinfrastruktur erfüllt werden können. 

Das helfe gerade auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland, konstatiert Roland Sillmann. Er ist Geschäftsführer der WISTA Management GmbH, die den Technologiepark Adlershof mit rund 1.200 Unternehmen verantwortet. Wenn in Fabriken stärker über Funk gearbeitet werden könne, die Industrie ihre Maschinen und Roboter nicht mehr verkabeln und damit fest installieren müsse, werde die Produktion flexibler. „So kann es wieder rentabel werden, spezialisierte Produkte in kleinerer Stückzahl herzustellen, statt auf Massenproduktion zu setzen.“ Gerade für die vielen innovativen, aber eher kleinen Unternehmen in Berlin biete 5G große Chancen, betont Roland Sillmann. Konkretes Beispiel wäre: Ein Start-Up entwickelt neuartige Wärmepumpen. Anders als große Anbieter:innen kann es seinen Kund:innen aber kein Wartungsnetz anbieten – eine gewaltige Hürde, um sich auf dem Markt zu behaupten. Die könne aber genommen werden, wenn die Wartung dank 5G und Mixed Reality auch aus der Ferne funktioniere. 

Der Technologiepark Adlershof hatte sich früh eine 5G-Campuslizenz gesichert, berichtet Sillmann. „Wir haben einen Ort geschaffen, an dem potentielle Nutzer aus unterschiedlichsten Branchen und Technologen zusammenkommen können, um gemeinsam neue Anwendungsmöglichkeiten zu entwickeln.“ Als weiteres Anwendungsbeispiel nennt er Altenheime, wo ein krasser Personalnotstand herrscht – während gleichzeitig Diskussionen über Vier Tage-Arbeitswochen geführt werden. Dafür werde es ohne den Einsatz neuer Technologien keine Lösung geben. 

Technologische Lösungen für gesellschaftliche Probleme müssen aber auch in der Gesellschaft diskutiert werden, mahnt Dr. Gabriele Schliwa. Sie ist Humangeographin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Technologiestiftung Berlin. „Es müssen Räume geschaffen werden, um wertebasierte Fragen zu stellen.“ Um beim Altenheim zu bleiben, etwa: Wie kann man würdevoll altern? Inwiefern lässt sich das mithilfe technologischer Anwendungen erreichen? Oder, ein anderes Beispiel: Wenn auf den Straßen vermehrt autonome Fahrzeuge unterwegs sein werden: Wie fühlt sich das für Passanten an? Kann man dem autonom fahrenden Auto vertrauen? Wollen wir die begrenzten öffentlichen Mittel in diese Technologien investieren – oder lieber in den öffentlichen Nahverkehr? Schliwa sieht durchaus positive Anwendungsfälle von 5G. So sei in Rotterdam beispielsweise der Hafen komplett mit 5G ausgerüstet worden, was für die internationalen Lieferketten wichtig ist. „Aber der Hype, den es 2019, 2020 noch um 5G gegeben hat, der ist auf ein gesundes Maß geschrumpft.“ 

Zumal erst einmal der Ausbau von 5G vorangetrieben werden muss. Um die hohe und schnelle Datenübertragung zu ermöglichen, müssen die Funkzellen kleiner werden. Es müssen also mehr Antennen in den Städten installiert werden – und das Glasfasernetz muss engmaschiger werden. „Das ist in Deutschland komplizierter als in manch anderen Ländern“, erläutert Prof. Jungnickel. Hierzulande wird Infrastruktur traditionell unter der Erde verlegt. Das bedeutet, dass bei allen Ausbauprojekten Grundstückseigentümer:innen, seien es öffentliche oder private, eingebunden werden müssen. Mit seinem Team vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut hatte Jungnickel das erste 5G-Testnetz in Berlin aufgebaut – und ist dabei auf zahlreiche Tücken gestoßen. „Einerseits möchte man die Basisstationen gerne verstecken, andererseits braucht man eine gute Funkverbindung. Wir haben dann irgendwann mit Unterstützung des Senats eigens Straßenmöbel entwickelt: Eine Sitzbank, in der die 5G-Technik versteckt ist.“ 

Ein mittlerweile weit verbreiteter Ansatz hierbei sei das 'human-centered design', sagt Gabriele Schliwa. Dass also die Menschen, die Nutzer:innen möglichst frühzeitig einbezogen werden bei der Technologieentwicklung. „Es gibt schon entsprechende Showrooms in Berlin, wo man mit dem förmlich in Berührung kommt, was man sich kognitiv nicht vorstellen kann.“ Besonders im Stadtraum müsse es jedoch Orte geben, an denen 5G Anwendungen nicht nur für Nutzer:innen erfahrbar gemacht, sondern deren Sinn, Zweck und Konsequenzen aus unterschiedlichen Perspektiven abgewägt werden können. WISTA-Geschäftsführer Roland Sillmann geht davon aus, dass 5G in vielen Bereichen ganz konkrete Veränderungen und Vorteile für die Bürger:innen bringen kann. „Zum Beispiel kann sich die Art, wie und welchen Sport wir gucken, komplett verändern, da wir Informationen von viel mehr Sensoren in Echtzeit zusammenbringen können.“ Wenn man zum Beispiel Skispringen per Knopfdruck mal aus Sprungperspektive, mal aus Bodenperspektive schauen könne, werde das deutlich attraktiver – und auch die Trainingsmöglichkeiten verändern. Das könne man auch auf Feuerwehr- und Polizeieinsätze übertragen. 

Das Ziel eines möglichst störungsfreien, flächendeckenden Flusses von Daten kann nur über kleinere Funkzellen erreicht werden, betont Fraunhofer-Forscher Jungnickel. Das biete aber auch einen weiteren Vorteil: „Kleinere Zellen benötigen weniger Energie zur Datenübertragung, sind effizienter.“ Energieeffizienz sei für sein Team ein ganz wichtiges Kriterium beim Design neuer Lösungen. 

Beim Blick auf den Energieverbrauch einzelner Anwendungen dürfe man aber die Gesamtrechnung nicht aus den Augen verlieren, betont Humangeographin Gabriele Schliwa. Sie arbeitet in der Technologiestiftung Berlin aktuell an einer Studie zur Energieeffizienz von Kommunikations-Infrastruktur. Ja, die Datenübertragung von 5G sei viel effizienter als die der Vorgänger. Aber wenn de facto immer mehr Daten fließen, kann der Gesamtverbrauch an Energie trotzdem steigen. „Vielleicht muss man auch manchmal den Datenhunger, den wir haben, infrage stellen.“ 

Referent:innen

Prof. Dr. rer. nat. habil. Volker Jungnickel 
Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik - Heinrich-Hertz-Institut HHI 
Gruppenleiter Optische Metro-, Zugangs- und Inhausnetze 

Dr. Gabriele Schliwa
Technologiestiftung Berlin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Roland Sillmann 
WISTA Management GmbH
Geschäftsführer 

Moderation

Axel Dorloff
Chef vom Dienst / Wissenschaft / Planungsredaktion

Wenn Sie sich weiter über den Ausbau von 5G in Berlin und die Pläne Berlins informieren möchten, besuchen Sie die Webseite der Gigabit-Strategie des Landes Berlin der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

Das Forum Wissenswerte ist eine gemeinsame Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin und rbb24 Inforadio.  Die Sendung finden zum Nachhören im rbb24 Inforadio und in der ARD Audiothek.

 

Forum Wissenswerte

Die Veranstaltungsreihe zu aktuellen Technologiethemen. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.