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  • Thema Neue Technologien

Treffpunkt WissensWerte: Spurensuche: Über Aufklärung von Verbrechen

  • Veröffentlichungsdatum 29.07.2021
Annette Kleffel

Über Aufklärung von Verbrechen diskutierten die Expert:innen am OSZ Lise Meitner beim 115. Treffpunkt WissensWerte.

Sie rekonstruieren grauenhafte Taten und sind dabei, wenn ein Tatort nach einem Verbrechen mit flatternden Bändchen abgesperrt wird und Menschen in weißen Ganzkörperanzügen nach Spuren suchen: die Expertinnen und Experten aus Fernsehserien wie „CSI“, „Die Forensiker“ oder der Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne aus dem Münster-Tatort. Diese Spezialist:innen bei Polizei und Rechtsmedizin gibt es auch in der Realität: sie gehen im Alltag auf Verbrecher:innenjagd und versuchen dabei, mit neuesten Methoden aus Wissenschaft und Forschung, Verbrechen besser, exakter und schneller aufzuklären. In der realen und auch in der virtuellen Welt.

Knut Albrecht ist einer von ihnen: Professor und Direktor im Brandenburgischen Landesinstitut für Rechtsmedizin. Sein Institut führt 600 bis 700 Leichen-Obduktionen pro Jahr durch. Am Tatort gibt es für Expert:innen wie ihn immer zwei zentrale Fragen: Gibt es Hinweise für ein Fremdverschulden? Und: wie lange ist das Opfer bereits tot? Um Todesursache und Tathergang so genau wie möglich zu bestimmen, nutze die Rechtsmedizin heute neben etablierten Verfahren auch modernste diagnostische Mittel aus der Medizintechnik, erzählt Albrecht.

„Seit gut zwei Jahren haben wir in unserem Potsdamer Institut für Rechtsmedizin einen eigenen Computertomographen. Als eines der wenigen Institute in Deutschland.“ Mit diesem so genannten CT können Leichen gescannt werden. Die Rechtsmediziner:innen erhalten auf diese Weise einen vollständigen digitalen Datensatz des jeweiligen Leichnams. Mit Hilfe der postmortalen Bildgebung können Details im Nachhinein noch besser bzw. ergänzend beurteilt werden, so Albrecht. 

Die postmortale Bildgebung sei vor einigen Jahren noch nicht so wahrgenommen worden, sagt der Potsdamer Rechtsmediziner, gelte aber heute als wertvolles, weiterführendes diagnostisches Tool. „Bei jeder Obduktion wird durch die Präparation die Anatomie des Körpers, wenn man so will, verändert. Mit der Computertomographie haben wir vor der Obduktion noch einmal die Möglichkeit, den Leichnam in Gänze zu untersuchen.

Dieses zusätzliche, diagnostische Verfahren ermögliche der Rechtsmedizin eine genauere Rekonstruktion des Tathergangs. Detailfragen wie beispielsweise „Wie verlief der Stichkanal bei einem Messerangriff“ oder „Wie war die Anfahrrichtung des Autos bei einem Zusammenstoß“ könnten so exakter beantwortet werden. Die medizinische Computertomographie ersetzt dabei allerdings nicht die eigentliche gerichtliche Obduktion, diese ist in Deutschland gesetzlich verankert.

Auch am Tatort – oder Fundort schreitet die Technik voran. Es gibt zwar immer noch die Mitarbeiter:innen, die mit Klemmbrett und Bleistift nach einem Verbrechen erste Aufzeichnungen machen. Aber die Zukunft sei eine so genannte Tatort-App, sagt Susanne Bauer, leitende Kriminaldirektorin am Kriminaltechnischen Institut im Landeskriminalamt Berlin – kurz KTI. Das ist die Zentralstelle für die Forensische Kriminalwissenschaft und -technik der Polizei Berlin.

„So eine Tatort-App wird derzeit entwickelt, mit dem Ziel die Arbeit am Tatort zu automatisieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können dann mit Hilfe dieser App Informationen und Daten am Tatort zeitgleich zusammenführen. Unser Ziel ist es, den Kolleginnen und Kollegen so schnell wie möglich eine Grundlage zu schaffen, um weiter zu ermitteln.“

Mit Hilfe dieser App ließen sich am Tatort mit dem Smartphone oder Tablet die Details der Spurensuche erfassen. Genaue Grundrisse, zugehörige Räume und gefundene Beweisstücke könnten damit ebenso digitalisiert werden wie die Daten aus der Fotografie und der Videografie. Alles würde eingespeist, auch die genauen Vermessungsdaten der Drohnen.

Polizeiarbeit ist in Deutschland Ländersache, die Tatort-App soll aber perspektivisch möglichst bundesweit eingesetzt werden. Damit das auch funktioniert, plädiert die leitende Kriminaldirektorin Susanne Bauer vom LKA Berlin für ein deutschlandweites, einheitliches IT-System bei der Polizei. Nur so ließe sich die Tatort-App für alle einsetzen.

Tatorte lassen sich mittlerweile sehr aufwendig mit 360-Grad-Kameras vermessen. Die 3D-Laser-Scanner ermöglichen es Polizei und Rechtsmedizin, sich im Zuge der Ermittlungen im virtuellen Raum aufzuhalten. Das sei wichtig, sagt die Chefin des Kriminaltechnischen Instituts im LKA Berlin, Susanne Bauer. Auch um die Richterinnen und Richter, die nicht am Tatort waren, besser und genauer informieren zu können. Fotos seien das eine, aber die Möglichkeit, sich in einem virtuellen Tatort zu bewegen, etwas ganz anderes.

Als Aufklärer und Spurensucher in der virtuellen Welt bewegt sich Christian Willems. Er ist Chief Information Security Officer sowie Technischer Leiter openHPI am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Er hat nicht mit Leichen, Mörder:innen oder Totschläger:innen zu tun, sondern mit den Gefahren aus dem Internet, mit der so genannten Cyber-Kriminalität.

Es gehe darum, Cyber-Attacken schon im Vorfeld zu verhindern und den Professor:innen, Mitarbeiter:innen und Student:innen am Hasso-Plattner-Institut ein möglichst sicheres Umfeld zu schaffen. Immer im Spannungsfeld zwischen dem Sicherheitsanspruch auf der einen Seite und der Freiheit von Forschung und Lehre auf der anderen Seite.

Die Attacken und Gefahren aus dem Internet sind dabei vielfältig. Hacker versuchen, Daten und Identitäten zu stehlen, Krypto-Trojaner zu installieren oder Computer und Server zu verschlüsseln.

„Die erste Kunst ist es, das überhaupt zu bemerken. Dazu setzen wir Software ein, die auf den Rechnern selbst Untersuchungen vornimmt. Außerdem benutzen wir in komplexen Systemen wie Netzwerken Überwachungsprogramme, die ständig beobachten welche Rechner was mit welchen Protokollen durch die Gegend schicken“, sagt der Informations-Sicherheits-Verantwortliche beim Hasso-Plattner-Institut, Willems.

Und wenn da mit Hilfe von KI-Verfahren eine Abweichung gemessen wird, schlägt das System Alarm.

Text: Axel Dorloff

Auf dem Podium diskutierten:

Prof. Dr. med. Knut Albrecht  
Institutsdirektor im Brandenburgischen Landesinstitut für Rechtsmedizin

Susanne Bauer
Leitende Kriminaldirektorin am Kriminaltechnischen Institut im Landeskriminalamt Berlin

Christian Willems
Chief Information Security Officer sowie Technischer Leiter openHPI am Hasso-Plattner-Institut

Der Treffpunkt WissensWerte ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Technologiestiftung Berlin und Inforadio (rbb).

Die Sendung ist hier nachzuhören.

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