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  • Thema Neue Technologien

Quantencomputing: Quantentechnologie in den Mühen der Ebene

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  • Rubrik Kommentar
  • Veröffentlichungsdatum 03.05.2023
Dr. Christian Hammel

In 2021 haben wir in einer Blogserie die Berliner Kompetenzen und Kompetenzträger in den Quantentechnologien vorgestellt. Seitdem ist der Hype um das Thema Quantencomputing zwar etwas abgeklungen, jedoch ergeben sich durch viele kleine Fortschritte ein Gesamtbild zum Stand der Dinge in den Quantentechnologien. Der Beitrag unseres Kollegen Christian Hammel zeigt, was seit der letzten Analyse geschah.

IBM Quantum System One in Ehningen
IBM Quantum System One in Ehningen, Germany. © IBM Research

Der Hype ums Quantencomputing ist etwas abgeklungen. Wer die Zyklen von Hypes kennt, ahnt was dahinter steckt: Die öffentliche Forschung und die Forschungsabteilungen der Industrie haben weltweit eine Menge öffentliches wie privates Geld bekommen, um aus der Quantenforschung Technologie zu machen. Nun wird der Hype nicht mehr so dringend benötigt. Man ist jetzt wieder vorrangig mit Forschen und Entwickeln beschäftigt. Wir erinnern uns, dass man Hypes daran erkennt, dass die Presse viel darüber schreibt. Große Vorhaben oder bahnbrechende Durchbrüche sind für die Berichterstattung einfach attraktiver als viele kleine Fortschritte, hinter denen verhältnismäßig hohe Kosten und Mühen stecken. Genau das ist in 2022 passiert.

Im Einzelnen:

In der Hardwareentwicklung von Quantencomputern gab es etliche Fortschritte zu mehr Qbits pro Gatter und konkurrierend zu größerer Fehlerfreiheit. Ankündigungen von rechenzentrumskompatiblen (19“) Quantencomputern samt Schnittstellen zur herkömmlichen Rechenzentrumsausstattung haben bisher nicht zur Verfügbarkeit solcher Systeme am Markt geführt.

Die Formulierung quantencomputergeeigneter Aufgaben hat im Beobachtungszeitraum keine neuen Ergebnisse geliefert. Die Forschung sieht diese immer noch im Bereich des Travelling-Salesman–Problems (komplexe Optimierungsaufgaben) und der Faktorisierung von Zahlen (Zerlegung in Zahlen, aus denen sie durch Multiplikation entstanden sind). Für beide Aufgaben gibt es eine derartige Vielzahl möglicher Anwendungen in einer großen Zahl von Fachdisziplinen, dass der potenzielle Nutzen trotzdem immens sein kann. Hinsichtlich einzelner Verlautbarungen, dass Quantencomputer zum Vortrainieren von Machine Learning Systemen besonders geeignet seien, konnte ich weder die Gründe für diese Aussage überprüfen noch kann ich das aus eigener Kompetenz beurteilen.

Der Nachweis der Quantum Supremacy (der universellen Überlegenheit von Quantencomputern über herkömmliche Computer) wird üblicherweise dadurch versucht, dass Aufgaben formuliert werden, die mit Quantencomputern schnell und mit herkömmlichen Supercomputern nicht in akzeptablen Rechenzeiten gelöst werden können. Der Dauer-Wettstreit zwischen Google und IBM lief auch in 2022. Ein Rückschlag in 2022 war, dass eine Arbeitsgruppe aus einem Forschungsinstitut ein Problem, für das Google mehrere Tausend Jahre Rechenzeit prognostiziert hatte, mit einem Supercomputer in weniger als einem Tag lösen konnte. Ob eine universelle Quantum Supremacy besteht oder „nur“ eine spezielle mag neben dem akademischen Interesse die Art der Verbreitung der Technologie stark beeinflussen, ändert aber nichts am potenziellen Nutzen für bestimmte Fragestellungen, die für eine Verbreitung hinreichend relevant sind.

Die Forschung in der Quantenkommunikation ist weiterhin etwas weiter. Angedachte Anwendung ist hier immer noch hauptsächlich die Quantenkryptografie (bei verschränkten Photonen kann man ein Abhören sicher entdecken), eine weitere Anwendung ist z.B. das Generieren sicherer (wirklich zufälliger) Zufallszahlen. Quanten-Informationsübertragung ist inzwischen nicht nur per Laser, sondern auch per Glasfaser grundsätzlich gezeigt. Geräte wie verschränkungs­erhaltende Repeater, Router, Switches und andere Netzkomponenten, die daraus ein Quanten-Internet machen würden, sind bisher nicht verfügbar. Wichtigste Berliner Player sind nach wie vor das HHI und die TUB.

Andere Quantentechniken, vor allem „Quantensensoren“ sind in Entwicklung (in Berlin bei der PTB). Diese schreitet auch voran. Produkte oder produktfähige Systeme sind noch nicht verfügbar, könnten für Berlin aber interessant werden.

Berliner Schwerpunkte: Quantentechnologien sind in Berlin weitestgehend in der öffentlichen Forschung verortet. Arbeitsgruppen aus Berlin kennen sich innerhalb Berlins und arbeiten auch projektweise regelmäßig zusammen. Sie sind auch an einer Vielzahl deutscher und europäischer Projekte beteiligt. Einzelne Berliner KMU, hauptsächlich aus den optischen Technologien, darunter Zulieferer für die Wissenschaft, beginnen Gerätschaften für die Erforschung der Quantentechnologien herzustellen. Etliche andere Unternehmen beginnen, potenzielle Anwendungen des Quantencomputing für sich zu eruieren. Ein breiter Durchbruch dieser Technologien in der Berliner Wirtschaft ist bisher nicht erfolgt, was angesichts des Standes der Technik innerhalb eines Jahres nach dem ganz großen Hype auch nicht zu erwarten war.

Frau beim Quantencomputing

Fazit: Unabhängig davon, wie breit sich Quanten-Systeme verbreiten werden, rechnen wir mit einem regionalen Förderbedarf aktuell weniger bei Anschaffungen von Systemen (was sich bei etwaigen Durchbrüchen schnell ändern kann) als bei der Qualifizierung im Informatikstudium  (durch die Hochschulen) oder Unternehmen in der Nutzung solcher Systeme (FOKUS und andere Fraunhofer-Institute). Zu Bildungsmaterialien für Schulen gab es zwei Gewinnerprojekte in Berlin in einem BMBF-Wettbewerb; das „Quanten 1x1“ der Jungen Tüftler:innen und „QuExplained“ an der HTW, letzteres ist leider in 2022 ausgelaufen. Die umfangreichen Materialien aus beiden Projekten stehen aber weiter zur Verfügung.

Quantentechnologien in Berlin

IBM Quantum System One in Ehningen, Deutschland.

Wir schaffen Transparenz über die neusten Entwicklungen.