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Interview zur digitalen Entwicklung in der Kultur: kulturBdigital

Die Digitalisierung wirkt auch im Kulturbereich: Virtuelle Realitäten erweitern die Erfahrungen von Besucher:innen und Publikum, Online-Veranstaltungen machen Kulturangebote so sichtbar wie nie zuvor und künstliche Intelligenzen stehen schon heute mit auf der Bühne.

Diesen Wandel spüren die Berliner Kulturnutzenden und besonders diejenigen, die Kunst und Kultur machen in einer Stadt, die wie kaum eine andere Kulturstadt ist. Deswegen hat die Technologiestiftung Berlin in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa das Projekt kulturBdigital zur digitalen Entwicklung des Kulturbereiches ins Leben gerufen. Wir sprechen mit der verantwortlichen Projektmanagerin Silvia Faulstich über das Spannungsfeld von Digitalität und Kultur.

Silvia Faulstich auf der LevelUp-Konferenz im September 2022, Foto: Alexander Rentsch

Nach den Jahren der Corona-Pandemie mit langen Schließungen und einschneidenden Auflagen könnte man sagen, dass die Kulturszene aus einer der für sie bislang schwierigsten und herausforderndsten Phasen heraustritt. Auch das Projekt kulturBdigital läuft schon seit 2018 und hat die Kultur durch die Zeiten begleitet. Wie empfindest Du die Situation der Künstler:innen, Kulturakteur:innen oder Kulturbetriebe aktuell? Welche Themen bestimmen die Szene?

Silvia Faulstich: Ein wichtiger Punkt, der gerade die meisten Kulturakteur:innen umtreibt, ist, dass sie nach komplizierten Jahren versuchen, ihr Publikum zurückzuholen. Das ist eben nicht einfach zurückgekehrt. Mit dem Blick auf die digitale Entwicklung ist die Frage, wie die neu entstandenen digitalen Programmbereiche ihren Platz behaupten werden und wie ihre Rolle weiter ausdefiniert werden wird. Während der Pandemie wurden nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch Zeit investiert, um digitale Sparten zu bilden und digitale Publikumsangebote zu konzipieren. Gerade im Bereich der Kulturvermittlung ist da sehr viel passiert. Aber mit Auslaufen der Förderprogramme in diesem Bereich stellt sich momentan die Frage, wie es weiter geht. Wir sehen Versuche, dass einerseits Digitalsparten konsolidiert werden und andererseits kommen nun viele der analogen Projekte, die während der Pandemie stillstanden, in die Produktion.   

Wenn wir über die Digitalisierung des Kulturbereiches sprechen – wie siehst Du den Zusammenhang zwischen Digitalem und Kultur? Was können digitale Technologien in der Kultur bewirken? Wo siehst Du Einsatzfelder? 

Silvia Faulstich: Wenn man an digitale Technologien und Kultur denkt, hat man meist zuerst konkrete Produkte vor Augen – z.B. die App für Museumsbesucher:innen oder das digitale Theaterstück, das Virtual-Reality-Technologien einsetzt. Hinter den Kulissen sind die Einsatzfelder aber eigentlich unbegrenzt. Einige Institutionen fragen sich zum Beispiel, wie sie durch ein effizienteres Datenmanagement die Raumbelegung im Haus besser koordinieren können, die Logistik rund um Touren und Gastspiele effizienter gestalten oder ihre digitalisierten Sammlungen für neue Anwendungskontexte nutzbar machen. Und natürlich sind auch Kultureinrichtungen bestrebt, ihre Services rund um die Besuchsplanung digital zu erweitern. Gerade seit der Pandemie ist die Digitalisierung interner Prozesse noch viel stärker ins Bewusstsein gerückt – auch, weil es hier einige Rückstände gibt. Gleichzeitig reagiert die Kultur aber auch auf Anforderungen der digitalen Gesellschaft, indem sie eigene Arbeitsweisen überdenkt. Ein wichtiges Stichwort ist hier Partizipation in all seinen Schattierungen. So nutzen etwa einige Museen digitale Plattformen, um Ausstellungen gemeinsam mit ihren Zielgruppen zu kuratieren oder nehmen durch die Digitalisierung veränderte Rezeptionsweisen zum Anlass, um die Rolle des Publikums grundsätzlich zu überdenken. Die Theaterdramaturgin Katja Grawinkel-Claasen (FFT Düsseldorf) hat das sehr schön mit dem Ausdruck „das beteilligte Publikum“ zusammengefasst.

Wir bieten also einen Denk- und Praxisraum dafür, wie man digitale Technologien vor oder hinter den Kulissen zum Einsatz bringt und neue Arbeitsweisen erschließt.

Porträt von Silvia Faulstich

Silvia Faulstich, Projektmanagerin kulturBdigital

Welche Rolle spielt kulturBdigital dabei? 

Silvia Faulstich: Mit kulturBdigital haben wir ein Forum für Berliner Kulturakteur:innen aller Sparten geschaffen, die Möglichkeiten des Austausches und der Vernetzung untereinander suchen – gerade auch für diejenigen, die gerade erst damit beginnen, die Potenziale digitaler Technologien für ihre Arbeit auszuloten oder die nach ersten Schritten weitere Orientierung und Impulse benötigen. Dazu schaffen wir Informationsangebote, bei denen wir ganz grundsätzlich Hilfestellungen bieten. Etwa “Was muss ich urheberrechtlich beachten, wenn ich einen Livestream einsetze?”. In Werkstattgesprächen und Workshops geben wir Raum für Detaileinblicke in künstlerische Ansätze aus der Szene oder vermitteln Methoden, z.B. rund um die Gestaltung von User-Tests speziell für Kulturangebote. Außerdem pflegen wir Netzwerke – etwa für die zahlreichen neu eingestellten Digitalmanager:innen, sogenannte Resilienz-Dispatcher:innen –  die einen Austausch unter Gleichgesinnten suchen. Wir bieten also einen Denk- und Praxisraum dafür, wie man digitale Technologien vor oder hinter den Kulissen zum Einsatz bringt und neue Arbeitsweisen erschließt.

Immer wieder gibt es Schlagzeilen über die KI, die ganze Sinfonien komponiert, Bilder malt und – wie nun Beispiele à la Chat GPT zeigen – fast in der Lage ist, die menschliche Kommunikation nachzuahmen. Geht es euch um diese Art von Utopien, wenn wir über die Lage der Digitalisierung im Kulturbereich nachdenken? Oder ist die Richtung eine andere? 

Silvia Faulstich: Als wir 2018 mit dem Projekt gestartet sind, dachten wir, dass es genau um solche aufmerksamkeitsstarken Themen gehen würde: Das Zugangschaffen zu bahnbrechenden neuen Technologien. Wir haben dann jedoch sehr schnell gemerkt, dass es für viele Häuser wesentlich grundsätzlichere Fragen sind, die interessieren. In Berlins vielfältiger Kulturlandschaft gibt es im Hinblick auf digitale Entwicklung zwei Geschwindigkeiten: Auf der einen Seite Künstler:innen oder Institutionen, die schon sehr weit sind und mit absoluter Selbstverständlichkeit digitale Technologien explorieren. Und eine weitere, sehr große Gruppe, die hier eher am Anfang steht. Und genau um diese Gruppe geht es uns – hier geben wir Impulse, damit die digitale Entwicklung souverän selbst gestaltet werden kann. Es geht um Grundsätzliches: Fragen zu Standards, Fragen zu Methoden, Fragen zu einzelnen Tools. Aber es ist natürlich gerade reizvoll zwischen diesen beiden Extremen immer wieder Brücken zu bauen.

Es geht nicht um ein Gegensatzpaar “KI vs. Künstler:in” oder “digital vs. analog”, sondern darum, wie das eine das andere bereichern kann. 

Porträt von Silvia Faulstich

Silvia Faulstich, Projektmanagerin kulturBdigital

Wir können also beruhigt sein, dass Künstliche Intelligenz und Digitalität vorerst nicht den Menschen in der Kunst verdrängen werden?  

Silvia Faulstich: Ja, das können wir. Ich empfinde die Sorge darüber, ob der kunstschaffende Mensch bald durch Maschinen ersetzt werden kann und allgemein die Debatte “digital vs. analog” im Kulturbereich auch nicht allzu sinnvoll. Diese Fragen sind recht früh aufgekommen – z.B. im Rahmen von Sammlungsdigitalisierungen in Museen und der Diskussion darum, ob man denn dann noch ins Museum gehen müsse. Zuletzt sind sie auch wieder während der Corona-Pandemie populär geworden, als die Kultur nur digital hat stattfinden können. Es geht nicht um ein Gegensatzpaar “KI vs. Künstler:in” oder “digital vs. analog”, sondern darum, wie das eine das andere bereichern kann. 

kulturBdigital hat unter anderem das Ziel, Kultur durch digitale Entwicklung zugänglicher zu machen. Worum geht es hierbei?

Silvia Faulstich: Zugang bedeutet für uns zum einen, innerhalb unseres Netzwerkes die Möglichkeit zu geben, für sich selbst digitale Technologien zu erschließen, verstehen zu können und ausprobieren zu dürfen. Zugang umfasst für uns aber auch den großen Bereich der digitalen Barrierefreiheit.

Was bedeutet digitale Barrierefreiheit in der Kultur? 

Silvia Faulstich: Ganz grundsätzlich geht es dabei natürlich um Standards für die strukturelle und inhaltliche Gestaltung von Webangeboten. Wir laden in kulturBdigital aber auch immer wieder Expert:innen zu anderen Bereichen ein: Beispielsweise zu Best Practices für die Art, wie Online-Kulturangebote – sei es nun eine Instagram-Führung im Museum oder eine Lesung im Livestream – barriereärmer umgesetzt werden können, etwa durch Audiodeskriptionen, Untertitelungen, konsequent eingesetzte Alt-Texte für Bilder oder eine bewusstere Tool-Auswahl. Außerdem geht es darum, wie Barrierearmut in künstlerischen Experimenten im digitalen Raum von Anfang an besser mitgedacht werden kann. Barrieren verschwinden nicht, nur weil ein Kulturangebot im Netz stattfindet. Außerdem geht es um Fragen der Auffindbarkeit: Viele Informationen rund um Services für den Abbau von Barrieren verbergen sich in Freitexten auf den Websites einzelner Kultureinrichtungen. Wir möchten dazu beitragen, dass hierzu viel mehr offene Daten zur Verfügung stehen – und zwar in strukturierter, maschinenlesbarer Form. Dazu arbeiten wir eng zusammen mit einem weiteren Projekt der Technologiestiftung, das sich der Erfassung von Orts- und Veranstaltungsdaten im Kulturbereich widmet: kulturdaten.berlin. Es freut mich sehr, dass das Thema auf offene Ohren stößt: Einen Workshop, bei dem man die Servicekette rund um den Kulturbesuch auf Barrieren hin analysiert, mussten wir wegen hoher Nachfrage gleich mehrfach wiederholen.

kulturBdigital

Projekt zur Stärkung digitaler Kompetenzen des Berliner Kulturbereichs. Mit kulturBdigital vermitteln wir Praxiswissen zum Einsatz digitaler Technologien, zeigen Good Practice Beispiele auf und vernetzen Berlins Kulturakteur:innen spartenübergreifend.


Zielgruppe

Kulturakteur:innen in Berlin