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Soup & Science: Das Klima sichtbar machen

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 07.06.2023
Michael Scherer
Prof. Dr. Birgit Schneider im Gespräch mit Anna Corves von rbb24 Inforadio

Der Klimawandel ist allgegenwärtig. Schaltet man den Fernseher ein, schlägt man die Zeitung auf, oder führt man Gespräche: Die Wahrscheinlichkeit, mit dem Thema konfrontiert zu werden, ist groß. Dennoch stellt Birgit Schneider fest, dass Gespräche zum Klimawandel immer wieder verstummen, weil die Klimakrise in ihren Auswirkungen so erschütternd ist. Die studierte Medienwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Potsdam untersucht, wie die Darstellung des Klimawandels in die Gesellschaft hineinwirkt. Von ihren Erkenntnissen berichtete sie in unserem Lunchtalk Soup & Science am 25. Mai.

Prof. Dr. Schneider studierte Kunstwissenschaft, Medientheorie und Medienkunst und befasst sich schon seit 2008 mit dem Thema des Klimawandels. Sie gestaltete ihre Arbeit von Beginn an auch in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen aus den Naturwissenschaften.

Die ständige Präsenz des Themas und damit verbundenen Ängste stellen viele Bürger:innen eine gefühlte Abwärtsspirale dar. Diese kann dazu führen, dass das Thema lieber verdrängt oder sogar verleugnet wird. Menschlich findet Schneider diese Emotionen nachvollziehbar, denn schlussendlich betrifft der Klimawandel unsere Existenzgrundlage und der persönliche Handlungsspielraum der Erderwärmung etwas entgegenzusetzen, ist sehr begrenzt. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich auch mit den emotionalen Anteilen des Themas zu befassen. Dies ist auch das Tätigkeitsfeld der Vereinigung „Psychologists#Future“, die an der Seite der Scientists#Fridays for Future stehen. Die Psychologen untersuchen, was es bedeutet sich sowohl als Aktivist:in als auch Bürger:in mit dem Thema auseinanderzusetzen und wie mit den Ängsten und Sorgen umgegangen werden kann.

Junge Menschen auf einer Demonstration
@ Unsplash/Li-An Lim

Doch ebenso wichtig ist ein rationaler Blick, um vom Reden ins Handeln zu kommen. Die Expertin mahnt jedoch an, dass eine Wissenschaftskommunikation von den Zahlen zu den Menschen bzw. von oben nach unten nicht ausreichend sei. Auch andere Weisen des Sprechens seien nötig. Humor, so ungewöhnlich es klingen mag, sei auch ein Mittel, um Botschaften wirksam kommunizieren zu können. Wie der Klimawandel visualisiert werden kann, spielerisch als auch wissenschaftlich, beschäftigt Birgit Schneider: „Wie macht man das Unsichtbare sichtbar?“ Denn Klima ist die Zusammenfassung von Wettereignissen in großen Zeiträumen. Klima kann man nicht sehen, sondern hauptsächlich durch Daten über Jahre erfassen. Auch deswegen wird oft der Unterschied zwischen Wetter und Klima oft missverstanden.

Die Darstellung von Klimazonen als Datenbild ist mit 200 Jahren auch noch recht jung, Klimazonenkarten gibt es bis heute. So war es damals Alexander von Humboldt, der die Ästhetik in die Forschung und Darstellung brachte und mit Messreihen und Isolinien die ersten Klimazonen sichtbar machte. Diese wurden durch bessere Daten und Technik mit den Jahren immer präziser und akkurater weiterentwickelt. Der Konvention folgend, mit der Wärme und Kälte dargestellt werden, wurden die Datenbilder des Klimas in einem rot/blau-Schema eingefärbt, um die Temperaturunterschiede besser aufzuzeigen. Seit den ersten Klimaberichten werden die Bilder immer röter, unter anderem, weil die neu gemessenen Werte das alte Farbspektrum sprengen.

Auch in anderen Medien wird der Klimawandel behandelt. So hat sich Prof. Schneider auch Computerspiele angesehen. Zum Beispiel gibt es in den Spielen „Civilization VI“ und „Anno 2070“ die Möglichkeit, die eigene Gesellschaft durch die Zeiten zu führen und gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Schneider sieht allerdings kritisch, dass diese Entscheidungen in den meisten Spielen „top down“ geschehen, dass der Spieler als Gesellschaftsoberhaupt die alleinige Entscheidungsgewalt hat. Kleinere Spiele von Independent Spieleentwicklern, würden das anders machen, indem sie auch die individuelle und emotionale Ebene aufzeigen. Zum Beispiel im Spiel „Endling“ in Form eines Fuchses, der infolge des Klimawandels und der zusammenhängenden Nahrungsknappheit flüchten muss.

In der Darstellung des Klimawandels in den Print und Fernsehen sieht Schneider Verbesserungsbedarf. Oft würden aktuell Bilder von Dürren, Überschwemmungen oder Waldbränden mit der Natur oder Tieren im Vordergrund gezeigt werden, die ohne einen direkten Bezug zu Menschen stehen. Dadurch entstehe eine Distanzierung zwischen den apokalyptischen, fast epischen Bildern und der Realität für jede:n Einzelne:n. 

Wie kommen wir nun vom Reden ins Handeln, „stories to action“? Birgit Schneider meint, es könne nicht das eine erstrebenswerte Zukunftsszenario geben und sieht auch die technischen Errungenschaften als Allheilmittel kritisch. Um ein positives Narrativ durchzusetzen, so die Professorin, braucht es glaubwürdige aber auch bereits etablierte Personen aus allen Bereichen, die sich zusammenfinden und im Austausch neue Ideen und Konzepte entwickeln. Der Klimawandel ist nicht nur eine rein naturwissenschaftliche Herausforderung, der wir uns annehmen müssen, er fordert auch die Politik, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft zum gemeinsamen Neudenken und Handeln auf.

Der Lunchtalk Soup & Science ist eine gemeinsame Veranstaltung von Technologiestiftung Berlin und rbb24 Inforadio.

Der Podcast zum Gespräch ist in der ARD Audiothek abrufbar.

Soup & Science

Eine junge Frau hat Kopfhörer in den Ohren, die mit einem Mobiltelefon verbunden sind.

Die Veranstaltungsreihe stellt Berliner Wissenschaftlerinnen und Ihre Forschungsthemen vor. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.