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Was kostet eine zweite Erde?

  • Veröffentlichungsdatum 25.02.2019
Annette Kleffel

Am 1. August 2018 hatte die Menschheit alle natürlich verfügbaren Ressourcen für das Jahr 2018 aufgebraucht. Die restlichen Monate des Jahres lebten 7 Milliarden Menschen auf Pump, taten so, als gäbe es mehr als eine Erde. Der so genannte Welterschöpfungstag wird von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Umweltforschungsorganisation Global Footprint jedes Jahr erneut festgelegt, seit langem findet er immer früher im Jahr statt. Nicht nur für den im vergangenen Jahr verstorbenen Physiker Stephen Hawking ist klar: Wir brauchen eine zweite Erde! 

  • "Was kostet eine zweite Erde?" - vom 12. Februar 2018, STATE Studio Berlin, Foto: Erik Reinholz-Ruthenberg

„Wenn wir so weitermachen, wie bisher, brauchen wir eine zweite und sogar eine dritte Erde“, sagte die Klimaökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, „aber die haben wir nicht.“ Insofern ist die Frage nach den Kosten obsolet, darin waren sich die Podiumsgäste einig. Cornelia Weltzien, Agrartechnikerin am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie meinte, als Ingenieurin könne sie nur warnen, eine zweite Erde zu versprechen. „Die Menschheit ist nur kreativ, wenn klar ist, da ist nur eine Erde.“ Jeder Einzelne, Systeme und Politiker*innen müssten umdenken, fordert die Vorsitzende des Bioökonomierates Christine Lang, „sonst machen wir aus der zweiten Erde das gleiche wie aus der ersten, aber wir wissen es besser, wie es gehen müsste.“

Es gehe um eine umfassende Dekarbonisierung der Wirtschaft und des Verkehrs, um die Klimaziele von Paris zu erreichen, auch darin waren sich alle einig. 

Mit dem gerade beschlossenen Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Kohle bis 2038 werde alles „ein wenig besser“, so Kemfert. Die Einigung ist „der Beginn des Einstiegs in den Ausstieg. Jetzt fange es erst richtig an.“ Entschlossene Maßnahmen der Politik seien notwendig, um die Energiewende zu retten, denn, so der Titel von Claudia Kemferts letztem Buch: „Das fossile Imperium schlägt zurück“. Weltweit würden Öl-, Kohle- und Gaskonzerne den Wandel torpedieren. Sie nennt das Rückzugsgefechte der alten Industrien und nutzt dafür das Bild der alten Rottweiler, die die jungen Hunde weg beißen. „Die Energiewende ist ein gutes Friedensprojekt“, ist Kemfert sich deshalb sicher. „Sie schafft Dekarbonisierung, sie schafft dezentrale Energieformen, sie schafft weniger Konflikte und sie führt auch dazu, dass wir Klimakrisen vermeiden können.“

Um mit der ersten Erde schonend und nachhaltig umzugehen, ist es noch nicht zu spät, betonte Cornelia Weltzien. Für eine nachhaltige Landwirtschaft seien Technik und künstliche Intelligenz hilfreich, „indem kleine intelligente Maschinen die großen dummen ablösen.“ Zukünftig könnten kleine elektrische Feldroboter das Feld zielgenau bearbeiten, Pflanzenkrankheiten frühzeitig erkennen und bekämpfen. Auch wenn diese Technologie noch im Forschungsstadium steckt, zeichnet sich eine Ertragssteigerung um bis zu 15 Prozent ab, vor allem aber eine deutliche Einsparung von Wasser, Pestiziden, Kohlendioxid und Feinstaub. Insgesamt komme es darauf an, ergänzte Prof. Lang, wegzukommen von der Kette Produktion-Nutzung-Wegwerfen hin zu einer Kreislaufwirtschaft nach dem Vorbild der Natur – zur Bioökonomie. „Wir schauen auf die Prinzipien der Natur…, kombinieren das mit unserem Wissen über die heutigen Technologien, Biotechnologien auch Agrartechnologien und entwickeln daraus z.B. neue Materialien“, so Lang. So werde, wie im Märchen von Rumpelstilzchen zwar nicht Gold aus Stroh gesponnen, aber aus dem Lignin des Holzes ein Faden für Textilien, aus Löwenzahnmilch Gummi für Fahrradschläuche oder es entstehen Tüten und Becher statt aus Plastik aus Polymilchsäure. Aber, fragte die Biotechnologin Prof. Lang, „Sehen wir das schon genug?“. Ihre Antwort lautete Nein. Diese Produkte seien noch kleine Pflänzchen. „Wir als Gesellschaft, Politik, Wirtschaft müssen dafür sorgen, dass sie größer werden, Dafür müssen wir Bewusstsein schaffen, die richtigen Rahmenbedingungen und es muss richtig produziert werden!“ 

Fazit

Wer auf eine zweite Erde hofft, der…

„…setzt aufs falsche Pferd.“ (Kemfert)
„… muss lange suchen.“ (Weltzien)
„… wird keine finden.“ (Lang)

Also ist es nicht zu spät, die erste Erde zu retten, weil

„…es genügend Möglichkeiten gibt, es fehlt nur der Wille.“ (Kemfert)
„…wir eine Chance haben, das Ruder noch rumzureißen.“ (Weltzien)
„…es nur noch am Momentum fehlt, es zu starten.“ (Lang)

Treffpunkt WissensWerte Ausschnitt der Schriftzugs

Auf dem Podium waren:

Prof. Dr. Claudia Kemfert
Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Prof. Dr. Christine Lang
Vorsitzende des Bioökonomierrates

Prof. Dr. Cornelia Weltzien
Abteilungsleiterin Technik im Pflanzenbau
Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie

Treffpunkt WissensWerte ist eine Reihe der Technologiestiftung Berlin und Inforadio (rbb). Die Aufzeichnung der 99. Sendung fand am 12. Februar im STATE Studio Berlin statt, und kann hier für begrenzte Zeit auf inforadio.de abgerufen werden. 

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Die Veranstaltungsreihe zu aktuellen Technologiethemen. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.