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  • Thema Smart City

Forum Wissenswerte: Der Mensch in der Smart City

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 23.06.2023
Michael Scherer

In unseren Städten schlummern gewaltige Potentiale: In ihnen könnten Ressourcen gespart werden; Die Luft könnte sauberer sein; Der Verkehr auf der Straße kaum noch ins Stocken geraten; Die Menschen könnten sich in ihnen viel wohler fühlen, als sie es heute tun; Die Städte könnten in Zukunft smarter werden. Das kann durch kluge Stadtplanung, durch Sensorik und Künstliche Intelligenz oder auch durch die Vernetzung und die Mitbestimmung der Menschen geschehen. Wenn Smart Cities richtig aufgezogen werden, dann können sie die Lebensqualität von uns allen steigern. Ein Bericht von Lena Petersen. 

Junge Frau in nächtlicher Stadtatmosphäre tippt auf einen großen gläsernen Screen.
© Shutterstock

Die Definition einer Smart City liegt allerdings nicht auf der Hand. In der Wissenschaft kursieren ganz unterschiedliche Ansätze, klärt Florian Koch auf. Er ist Professor für Immobilienwirtschaft, Stadtentwicklung und Smart Citys an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. „Das ist kein geschützter Begriff, sondern im Prinzip eine Interpretationssache, was unter Smart verstanden wird. In der Regel werden darunter Digitalisierung, Vernetzung, Sensorik verstanden“, so Florian Koch. In der fehlenden Definition sieht der Professor ein Problem. Auch Smart-City-Rankings seien nur bedingt aussagekräftig, da sich die angelegten Kriterien dafür stark unterscheiden. Aus Sicht von Friederike Rohde wird eine Stadt in dem Moment smart, in dem die wesentlichen Infrastrukturen zum Nutzen der Bürger:innen sinnvoll miteinander verknüpft werden. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung hält den Einsatz digitaler Technologien dabei nicht für zwingend. Frederike Rohde setzt sich als Sprecherin Bündnis digitale Stadt Berlin auch für eine demokratische und inklusive Digitalisierungspolitik in Berlin ein. „Smart City kann auch bedeuten, einfach Prozesse intelligenter zu organisieren oder andere Dinge so zu gestalten, dass die Lebensqualität verbessert wird“, argumentiert Rohde und liefert ein lebensnahes Beispiel: „Warum gibt es in Brandenburg eine Online-Plattform, mit der ich ein Kita-Platz buchen kann und in Berlin nicht?“

Smart zum Wohl der Gemeinschaft

Ähnlich sieht es Niklas Kossow. Er leitet das Team Transformation Stadt beim CityLAB Berlin, dem öffentlichen Experimentierlabor der Technologiestiftung Berlin. Die Stadt müsse sich am Gemeinwohl ausrichten, meint Niklas Kossow. Städtische Infrastruktur und der Einsatz bestimmter Technologien dürften niemals Selbstzweck sein. „Wir wollen Technologie benutzen, um die Stadt auch zukunftsfähiger zu machen, um eine Stadt so aufzustellen, dass sie auch für die Herausforderungen der Zukunft wie zum Beispiel den Klimawandel gewappnet ist“, bringt Niklas Kossow das auf den Punkt, was für ihn die Kernaspekte der Smart City sind. Diverse Städte bezeichnen und bewerben sich selbst als Smart Cities. Einige von ihnen sind nicht historisch gewachsen, sondern haben bis vor Kurzem noch gar nicht existiert. Eine Planstadt im Entstehen ist zum Beispiel Neom in Saudi-Arabien. Als Vorbild für Berlin tauge das Projekt aus Sicht von Florian Koch von der HTW nicht. „Die Stadt Neom, die jetzt neu in der Wüste geplant wird, als 170 Kilometer langer Korridor, 200 Meter breit, ohne öffentliches Leben und mit einer Stadtstruktur, die vollkommen im Gegensatz zu dem steht, was wir jetzt unter einer europäischen Stadt verstehen, dann tue ich mich schwer zu sagen: Da lassen sich Sachen übertragen“, ordnet Florian Koch das Projekt ein. Bei anderen Städten sei das anders. So habe die europäische Vorreiter Smart City Barcelona einen sehr fortschrittlichen Umgang mit Daten. Außerdem lohne sich der Blick in andere deutsche Städte, wie Hamburg. Die Hansestadt schaffe gerade mit einer Open-Source-Software ein digitales Abbild der Stadt. Ein Projekt, von dem vielleicht auch andere Städte profitieren könnten.

Wer steht hinter der Smart City

Wichtig ist es aus Perspektive von Frederike Rohde immer zu hinterfragen, welche Akteure hinter einer Smart City stehen. „Sind das eher Akteure aus der Wirtschaftsförderung? Oder sind es eher Akteure aus der Stadtentwicklung? Wer hat das eigentlich entwickelt? Wer wurde da eigentlich beteiligt?“ Die Antworten würden letztlich Aufschluss darüber geben, ob wirklich die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stünden. Die Wissenschaftlerin vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung erkennt eine starke Technologie-Fixiertheit. Demnach werden zum Teil erst technische Lösungen geschaffen, für die später dann das passende Problem gesucht werde. Auch müsse man sich vor Augen halten, dass der Begriff „Smart City“ von Konzernen wie Microsoft oder IBM geprägt wurde. „Die haben Stadt als neuen Markt für ihre Technologien entdeckt. Und das muss man natürlich auch immer ein bisschen im Hinterkopf behalten“, erläutert Frederike Rohde. Dem müsse das Bild einer menschenzentrierten Stadt entgegengestellt werden. Florian Koch ergänzt, dass es diverse Städte gibt, die in der Vergangenheit in eine Abhängigkeit von Unternehmen gerutscht sind. „Die Stadt Duisburg hat zum Beispiel mit einem chinesischen Technologieunternehmen zusammengearbeitet. Dort hat man festgestellt, dass es einfach Unsicherheiten gab, was mit den mit den Daten passiert. Das heißt, es wurden Verträge geschlossen, die teilweise für die Stadt schwer verständlich waren und aus denen es dann schwer rauszukommen war“, erklärt der HTW-Professor. Inzwischen habe ein Umdenken stattgefunden. Darauf würden sich auch die Unternehmen zunehmend einstellen.

Mit der Strategie hin zu einem smarteren Berlin

Berlin hat bereits eine Smart-City-Strategie. Sie nennt sich Gemeinsam Digital: Berlin. Das CityLAB Berlin hat die Stadt bei der Entwicklung unterstützt. Im Zentrum stand dabei der Beteiligungsprozess, erklärt der Leiter des Teams Transformation Stadt, Niklas Kossow. „Wir wollen das auf den Bedürfnissen und den Bedarfen der Berliner:innen aufbauen. Dafür haben wir einen zweijährigen Strategieprozess durchgeführt und der ist jetzt in der Strategie gemündet, die verschiedene Handlungsfelder und erste Maßnahmen definiert“, erläutert Niklas Kossow. In den zwei Jahren habe es Workshops mit der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft gegeben. Auch sogenannte stille Gruppen seien befragt worden, was sie sich unter der Stadt der Zukunft vorstellen – darunter Menschen ohne Obdach, Menschen mit Fluchterfahrung und Kinder und Jugendliche. Die beteiligten Gruppen seien dann auch miteinander ins Gespräch gebracht worden, um gemeinsam Themen zu setzen. Ende 2022 wurde die Strategie Gemeinsam Digital: Berlin verabschiedet. Die neue schwarz-rote Berliner Koalition hat sich im Koalitionsvertrag zu der Berliner Smart City Strategie bekannt. Fünf Modellprojekte sind in dem Papier bereits fest verankert. Sie reichen von dem Aufbau einer krisensicheren lokalen Kommunikationsinfrastruktur über die gemeinwohlorientierte Datennutzung am Beispiel des Luftgütemanagements bis hin zu einem smarten Umgang mit Regenwasser, um die Stadt im Zuge des Klimawandels besser auf Hitze und Überflutungen vorzubereiten. In der sogenannten Arena der Ideen können außerdem alle Berliner:innen selbst Projekte einreichen, die dann möglicherweise gefördert und umgesetzt werden. Insgesamt ist Gemeinsam Digital: Berlin also eine lernende Strategie, die am besten als Prozess verstanden werden sollte, ergänzt Niklas Kossow.

Zivilgesellschaft stärken – Finanzierung sichern

Grundsätzlich begrüßen Frederike Rohde und Florian Koch die Strategie. Die Wissenschaftlerin Frederike Rohde kritisiert allerdings, dass in den Beteiligungsprozessen noch mehr Rücksicht auf die Zivilgesellschaft genommen werden sollte. Das gelte beispielsweise für die Terminplanung, da sich die Menschen ehrenamtlich beteiligen. Insgesamt hofft sie, dass Berlin einen großen Schritt in Sachen Open Data machen wird. Sprich: Daten sollten für alle frei zugänglich sein. Auch eine Verknüpfung der Datensätze hält Frederike Rohde für erstrebenswert, um das Leben der Bürger:innen einfacher zu machen. Insbesondere die Berliner Verwaltungsprozesse sollten dafür digitalisiert werden und stärker ineinandergreifen. „Wenn das in der jetzigen Regierungsperiode passiert, dann wäre das doch ganz schön da“, findet die Wissenschaftlerin vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung.

Der Forscher Florian Koch hofft, dass die lernende Smart-City-Strategie bald auch zur Berliner Nachhaltigkeitsstrategie wird. Deren Entwicklung ist auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Außerdem sei die Finanzierung einiger Projekte noch nicht abschließend gesichert. „Daran muss sich die Strategie dann messen lassen, dass es eben nicht nur ein schönes Papier ist, sondern letztlich dann auch wirklich in die Umsetzung geht“, fordert Florian Koch. Der Professor für Immobilienwirtschaft, Stadtentwicklung und Smart Citys korrigiert allerdings das zum Teil vorherrschende Bild, dass wir eines morgens aufwachen und Drohnen durch die Gegend fliegen. „Das Allermeiste der Stadt, wie wir sie in 50 Jahren haben werden, ist heute schon gebaut. […] Das heißt, da werden wir keine ganz dramatischen Veränderungen haben. Aber ich hoffe natürlich auf einige Verbesserungen.“ Auch Florian Koch plädiert für die Digitalisierung der Verwaltung und eine bessere Datengrundlage, die für alle zugänglich ist.

Auch Niklas Kossow vom CityLAB Berlin hält es für schwierig, den Punkt auszumachen, ab dem die Berliner Smart City-Strategie spürbar sein wird. Schritt für Schritt werde man die ersten Maßnahmen im Stadtbild aber sehen. Der Begriff „Smart City“, da ist er sich sicher, wird sich weiter halten. Inzwischen werde darunter zumindest in Deutschland eine Stadt verstanden, in der der Mensch im Mittelpunkt steht.

Das Forum Wissenswerte ist eine gemeinsame Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin und rbb24 Inforadio. Die Sendung Forum Wissenswerte finden Sie zum Nachhören im rbb24 Inforadio und in der ARD Audiothek.

Forum Wissenswerte

Die Veranstaltungsreihe zu aktuellen Technologiethemen. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.